Modellprojekt Teleradiologie auf dem Lande Westerkappeln - Ibbenbüren

Sehr geehrte Forum-Mitglieder Strahlenschutzrecht,

unser Plan: Wiederinbetriebnahme einer modernisierten, vom MPA Dortmund staatlich bis 2026 geprüften Teleradiologie-Einheit  für digitales Röntgen (!) von Extremitätenknochen und Thorax - Gerätestandort Westerkappeln, NRW; Teleradiologe in überörtlicher Gemeinschaftspraxis mit Standorten in Ibbenbüren und Lengerich vornehmlich an Werktagen zu normalen Dienstzeiten über Sonderantrag Teleradiologie außerhalb der Notdienstzeiten bzw. auf 24h-Teleradiologie-Option (Paragraph 123 Strahlenschutzverordnung, Paragraph 14 Strahlenschutzgesetz). 

geplante Teleradiologie - Trias:

Westerkappeln:

1.) Zwei MTRA mit Wohnort Westerkappeln, steigerbar bis auf 4 vertretende MTRA;

2.) Meine Person, Landarzt  (Facharzt Allgemeinmedizin) mit aktueller Fachkunde im Strahlenschutz der Röntgen-Notfalldiagnostik, Ärztekammerbestätigung, dass ich als Arzt am Orte der Telereadiologie qualifiziert bin, zwei weitere Ärzte mit Fachkunde im Strahlenschutz der Notfalldiagnostik vor Ort.

Ibbenbüren: 

3.) Mehrere Radiologen, die als Teleradiologen in Ibbenbüren / Lengerich tätig wären. Ein hauptverantwortlicher Teleradiologe.

Geplante Strahlenschutzmaßnahmen: Enge Einbidung des Teleradiologen in den klinischen Betrieb: einmal pro Woche Vor-Ort Anwesenheit des Teleradiologen in Westerkappeln für Gerätecheck und  persönlichen Austausch innerhalb der Teleradiologie-Trias incl. regelmäßiger Unterweisungen und Belehrungen.

Ziel: Wiederherstellung einer Notfall-Röntgen-Versorgung (wie 1975-2021 möglich gewesen)  in und um Westerkappeln, da häufig hoch betagte immobile Patienten mit Frakturverdacht und Abklärungsverdacht Thoraxerkrankung (z.B. Verdacht auf Pneumonie) unsere Praxis aufsuchen und der Wegfall der Röntgenoption durch Weggang des Fachinternisten mit Röntgenzulassung zu einer deutlich wahrnehmbaren Verschlechterung der Versorgungslage mit entsprechendem Anstieg von Notfall-Krankenhauseinweisungen führte.

Problematik: nicht abschließend geklärte Bedürfnisfrage für die geplante Notfall - Teleradiologie mittels digitalen Röntgens außerhalb der Notdienstzeiten in Westerkappeln.

Frage: Wie schätzen die Mitglieder des Forums Strahlenschutzrecht unser Modellprojekt Teleradiologie auf dem Lande Westerkappeln - Ibbenbüren strahlenschutzrechtlich ein? Halten Sie unser Konzept zur Sicherung der Röntgenversorgung im ländlichen Raume außerhalb der Notdienstzeiten für geeignet und zulassungsfähig? 

Welche Empfehlungen zum weiteren Vorgehen haben Sie gegebenenfalls an uns?

Mit freundlichen kollegialen Grüßen,

Dr. med. Michael Schlathölter

Westerkappeln

Doc Michael

Sehr geehrter Herr Dr. Schlathölter,

bei der Novellierung der Röntgenverordnung von 2002 wurden erstmalig Regelungen zur Teleradiologie festgelegt und auch klar geregelt, dass derjenige der die rechtfertigende Indikation stellt, über die erforderliche Fachkunde verfügt und die Möglichkeit haben muss, den Patienten zu untersuchen (Person mit der erforderlichen Fachkunde am Ort der Untersuchung).

Da die Computertomographie immer mehr als grundelgendes diagnostisches Verfahren eingesetzt wurde und in der Regel die Radiologen über die dafür erforderliche Fachkunde verfügen, diese aber nicht im ausreichenden Maß verfügbar waren/sind, wurde als Ausnahme der Erfordernis der Anwesenheit des Fachkundigen vor Ort, die Regelungen zur Teleradiologie in der Verordnung definiert.

Zunächst ist der Verordnungsgeber davon ausgegangen, daß der radiologische Tagdienst von Radiologen vor Ort an fünf Tagen die Woche abgedeckt werden kann. Auf Intervention der Bundesländer wurde eine zustätzliche Ausnahme der "Ausnahme Teleradiolgie" geschaffen, um die radiologische Versorgung in strukturschwachen Gebieten sicherzustellen, wenn der radiologische Tagdienst nicht von Radiologen abgedeckt wird/werden kann.

Diese Ausnahme wurde an die zusätzliche Bedingung des Bedürfnisses hinsichlich der Patientenversorgung geknüpft und muss von der jeweils zuständigen Behörde geprüft werden und auch für notwendig erachtet werden.

Die Teleradiolgiegenehmigung für den Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst nach § 14 Abs. 2  Satz 1 StrlSchG ist eine sogenannte "Muss-Genehmigung". Wenn der Antragsteller alle Genehmigungsanforderungen  (z. B. technische Durchführung von MTRA, genügend MTRA; ärztliches Personal mit den erforderlichen Kenntnissen im Strahlenschutz vor Ort, technische Anforderungen des Teleradiologiesystems etc.) erfüllt, hat der Antragsteller das Anrecht über die Erteilung der Genehmigung.

Im Fall der Ausnahme der Ausnahme, also eine teleradiologische Versorgung über den Nacht-, Wochenend-und Feiertagsdienst (§ 14 Abs. 2 Satz 3 StrlSchG) hinaus, ist eine "Kann-Genehmigung", da Sie an das Bedürfnis im Hinblick auf die Patientenversorgung geküpft ist.

Wie ich Ihren Ausführungen entnehmen kann, werden eine Vielzahl der Anforderungen des Strahlenschutzrechts ihrerseits erfüllt (z. B. Einsatz von MTRA, Ärzte vor Ort mit den erforderlichen Kenntnissen im Strahlenschutz, Teleradiologiepartner etc.). Knackpunkt ist das Bedürfnis hinsichtlich der Patientenversorgung, welches wohl von der zuständigen Behörde so nicht gesehen wird. Der von Ihnen geschilderte Fall ist auch sehr speziell, da wir bisher immer davon ausgegangen sind, dass die radiologische Versorgung für die jeweiligen Krankenhäuser gegeben sein muss, das hier eine Praxis (hier Hausarztpraxis) teleradiologisch versorgt werden soll ist nach meiner Kenntnis bisher noch nicht vorgekommen.

Bei ihren Schilderungen gehe ich von projektionsradiographischen Untersuchungen, keine CT-Untersuchungen, aus. Sie sollten der zuständigen Behörde aus meiner Sicht den Nachweis erbringen, in welcher Entfernung das nächste Krankenhaus liegt, dabei spielen auch Unwettersituationen aus meiner Sicht eine Rolle. Sie sollten auch Angaben über die zuerwartende Untersuchungshäufigkeit angeben. Nach § 14 Abs. 2 Satz 4 StrlSchG ist eine solche Genehmigung auf längstens 5 Jahre zu befristen. Vielleicht besteht eine Genehmigunsmöglichkeit für ein Teleradiologieprojekt bei verkürzter Genehmigungsdauer? Dann könnte die Situation einer erneuten Bewertung unterzogen werden und bei positivem Ergebnis die Genehmigung verlängert werden.

Sie können meiner Schilderung entnehmen, das ich durchaus geneigt wäre, so ein Teleradiologieprojekt befriset zu genehmigen wenn die ensprechenden Rahmenbedingungen gegeben sind. Meine Behörde ist aber in Ihrem Fall nicht zuständig. Sie müssen jetzt die für sie zuständige Behörde überzeugen.

Freundliche Grüße

Dr. Jürgen Westhof

Jürgen Westhof

 

                                                                                                                             Westerkappeln, den 1. Oktober 2022

Sehr geehrter Herr Dr. Westhof,

zunächst möchte ich mich gerne für die umfangreiche Beantwortung meiner o.a. Frage bei Ihnen bedanken.

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung legte ich meine Argumentation ausführlich dar. Eine Möglichkeit, dass ich als Hausarzt als "Arzt am Ort der technischen Durchführung der Teleradiologie" im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung tätig würde, sehe man aus verschiedensten rechtlichen Hinderungsgründen nicht. Ergänzend bat ich noch um Prüfung, ob ich mich von der überörtlichen Radiologischen Gemeinschaftspraxis Ibbenbüren - Lengerich speziell für die Tätigkeit des "Arztes am Orte der technischen Durchführung der Teleradiologie" in Westerkappeln  unabhängig von meiner Funktion als Hausarzt teilanstellen lassen dürfe. Hierzu erhielt ich die Antwort, dass dem massive rechtliche Hinderungsgründe entgegen stünden und diese Kooperationsform ebenso nicht genehmigungsfähig sei. Selbst wenn diese Tätigkeit ein von mir konkret benannter und vorgeschlagener Facharzt für Radiologie im Ruhestand  mit allen Fachqualifikationen durchführen würde, gäbe es massive rechtliche Hinderungsgründe und auch diese Telekonsil-Kooperatiosform würde von der KVWL abgelehnt werden.Ob das Landesgesundheitsministerium hierzu eine Stellungnahme abgeben wird, ist mir nicht bekannt.

Den neuerlichen Ablehnungsbescheid der Kassenärztlichen Vereinigung vom 28.9.2022 habe ich nun nach meinen intensiven mehrjährigen Bemühungen zur Teleradiologie akzeptiert und das Modellprojekt Teleradiologie Ibbenbüren - Westerkappeln dürfte nun "Geschichte sein".

Abschließend gestatten Sie mir bitte noch eine, aus meiner Auseinandersetzung mit der Teleradiologie-Thematik entstandene, persönliche Frage:

Gibt es ein einschlägiges Gesetz oder eine juristische Abhandung zum Vertragsrecht speziell der "Ärzt*Innen am Orte der technischen Durchführung der Teleradiologie" ?  -  sollte dieses nicht der Fall sein:

Bestehen Bemühungen, eine solche juristische Expertise bereit zu stellen? -  läuft ein Gesetzgebungsverfahren hierzu ?

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. med. Michael Schlathölter, 

Landarzt aus Westerkappeln

 

Doc Michael

Sehr geehrter Herr Dr. Schlathölter,

mir ist nicht bekannt, dass eine konkrete Abhandlung zum Vertragrecht für das ärztliche Personal am Ort der technischen Durchführung im Rahmen der Teleradiologie gibt. Wenn der Teleradiologieanbieter nicht selbst aus dem teleradiologisch versorgten Krankehnhaus kommt, verlangen die Gemnehmigungsbehörden einen Abgrenzungs- oder Kooperationsvertrag aus dem ersichtlich ist wer welche Aufgaben udn Verantwortlichkeiten übernimmt. Damit sind die Genehmigungsbehörden und die Antragssteller in der Vergangenheit gut ausgekommen.

Änderungen des Teleradiologieparagraphen (§ 14 Absatz 2 StrlScvhG) halte ich zum derzeitigen Zeitpunkt für sehr unwahrscheinlich. Die erste Regelung zur Teleradiologie wurde in der Röntgenverodnung von 2002 festgelgt. Das neue Strahlenschutzrecht hat auf dieser Grundlage aufgebaut und lediglich an einigen Anforderungen Erweiterungen vorgenommen. Grundlegende Änderungen sind daher nicht zu erwarten.

Freundliche Grüße

Dr. Jürgen Westhof

Jürgen Westhof

Sehr geehrter Herr Dr. Westhof,

herzlichen Dank für Ihre Ausführungen zum 20 jährigen Gesetzes -"Körper" der Teleradiologie.

Letztlich unterliegen alle "Körper" dem 1. Newton'schen Gesetz:

"Ein ruhender Körper bleibt in Ruhe, wenn keine äußeren Kräfte auf ihn einwirken.

Auch ein in Bewegung befindlicher Körper bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit weiter,

wenn keine äußeren Kräfte auf ihn einwirken."

Die Teleradiologiegesetzgebung ist 20 Jahre alt - ich bin seit 20 Jahren Arzt -

die Teleradiologie und ich -wir sind beide quasi "Twens".

Auf mich als "Landarzt - Twen" wirken gewaltige Kräfte ein - Demographische Entwicklung,

Land - Stadt - Flucht der medizinischen Versorgung etc. etc. etc...

Meinen "Mit-Twen Teleradiologie" mitzunehmen bei meinen unermüdlichen, von "jugendlichem Elan" angetriebenen

Bemühungen, die medizinische Versorgung auf dem Lande "zeitgemäß"  zu erhalten war einen Versuch wert.

Alle fünf Jahre aktualisierte ich meine Fachkunde RÖ2, weil sich die Strahlenschutz - Gesetzesgebung

alle fünf Jahre grundlegend ändere (!)...

Weiterhin hege ich "unter Twens" große Sympathien für die Teleradiologie, aber "Mit-Twen Teleradiologie"

ist und bleibt "Krankenhaus-Bewohner" und ich bin und bleibe "Landarztpraxis - Bewohner".

Das Ende unserer Vision einer "WG auf dem Lande" wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe

abschließend als "nicht genehmigungsfähige"  -  "Form des Zusammenlebens"  besiegelt. 

Versehen sei mein Text abschließend mit dem obligatorischen Hinweis: cum grano salis  -

doch steckt in allem auch ein Körnchen Wahrheit,

mit freundlichen Grüßen,

Dr. med. Michael Schlathölter,

Landarzt aus Westerkappeln 

 

 

 

 

 

 

 

 

Doc Michael

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